Kultursenator empfängt Nachfahre von Cornelius Fredericks, nach dem künftig eine Straße in Hamburg-Nord benannt wird, im Rathaus
Die Senatskommission zur Benennung von Verkehrsflächen hat auf Vorschlag des Bezirks Hamburg-Nord beschlossen, den im Stadtteil Ohlsdorf gelegenen Woermannsweg in Louisa-Kamana-Weg umzubenennen und den Woermannstieg in Cornelius-Fredericks-Stieg. Damit folgen Bezirk und Senat einer langjährigen Forderung aus der Zivilgesellschaft und von den Organisationen der Nachkommen der Kolonisierten, die nach Adolph Woermann benannten Straßen umzubenennen. Statt dem Hamburger Kaufmann, der in Kolonialverbrechen verstrickt war, werden die Straßen künftig Persönlichkeiten würdigen, die in Namibia Opfer der Kolonialherrschaft wurden oder Widerstand gegen das koloniale Unrecht leisteten. Nach dem Beschluss der Senatskommission bereitet der Bezirk Hamburg-Nord derzeit die Umbenennungen vor. Die neuen Straßenschilder werden zu einem späteren Zeitpunkt aufgehängt. Anlässlich der anstehenden Umbenennung empfing der Kultursenator Dr. Carsten Brosda am 25. November 2024 Senior Traditional Councillor Cornelius Frederick, Nachfahre von Cornelius Fredericks und Johannes Maboss Ortmann aus Namibia sowie den Arbeitskreis Hamburg Postkolonial im Hamburger Rathaus.
Foto: © Marcelo Hernandez für Behörde für Kultur und Medien
Mit der Umbenennung wird künftig an Cornelius Fredericks (1864-1907) erinnert. Er gehörte zu den großen Persönlichkeiten des Widerstandes gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia. Er und die mitkämpfenden Namakapteine verwickelten die deutsche „Schutztruppe“ in einen lang andauernden Guerillakrieg. Als herausragender Taktiker kommandierte Fredericks zahlreiche Gefechte. Viele seiner Angehörigen wurden von deutschen Soldaten getötet. Erst 1906 konnten die Deutschen Fredericks zur Kapitulation zwingen. Zusammen mit weiteren Männern, Frauen und Kindern der !Aman und Witbooi-Nama wurde er in ein Konzentrationslager an der südnamibischen Küste deportiert. Aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen starben dort 80 Prozent der Gefangenen – darunter auch Fredericks.
Mit dem Louisa-Kamana-Weg erinnert die Stadt künftig an Louisa Kamana (ca. 1878-1903). Sie war die Tochter des OvaHerero-Chiefs Kamana und Schwiegertochter des Chiefs Zeraua. Sie reiste 1903 mit ihrem Ehemann und ihrem neugeborenen Baby von Karibib nach Omaruru. Unterwegs nahmen sie den deutschen Händler Dietrich in ihrem Ochsenkarren mit. Dieser versuchte Kamana bei der nächtlichen Rast zu vergewaltigen. Als sie sich wehrte, erschoss Dietrich sie und das Baby. Dieses Verbrechen wurde vor Gericht verhandelt, der Täter ging straffrei aus. Erst als die OvaHerero laut protestierten, wurde das Urteil revidiert. Dietrich wurde für schuldig befunden und zu drei Jahren Haft verurteilt. Doch dann wurde er schnell zurück nach Deutschland geschickt, wo er auf freien Fuß kam. Hunderte weitere Vergewaltigungen an den OvaHerero-Frauen wurden überhaupt nicht geahndet. Die vielen Fälle sexualisierter Gewalt gelten als wichtige Impulsgeber für den Aufstand der OvaHerero gegen die deutsche Kolonialherrschaft.
Mehr Info zu den historischen Hintergründen der Straßenumbenennungen: http://www.hamburg-postkolonial.de/PDF/AKBegruendungStrassenumbenennung2024.pdf
Anlässlich des Beschlusses zu den Straßenumbenennungen waren jetzt Cornelius Frederick, Nachfahre von Cornelius Fredericks und Johannes Maboss Ortmann in Hamburg zu Gast. Kultursenator Dr. Carsten Brosda begrüßte die namibischen Gäste und den Arbeitskreis Hamburg Postkolonial im Rathaus.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien: „Die Umbenennungen in Hamburg-Nord leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit. Endlich ehren wir hier nicht mehr einen Menschen, der an kolonialen Verbrechen beteiligt war und maßgeblich vom Kolonialismus profitierte. Stattdessen werden wir künftig an zwei Personen erinnern, die unter den deutschen Verbrechen in Namibia zu leiden hatten und stellvertretend für die unzähligen Opfer der Kolonialverbrechen stehen. Die Umbenennungen sollen uns auch Mahnung sein, dass wir Hamburgs koloniale Vergangenheit weiter aufarbeiten müssen. Mit den Benennungen erinnern wir an die Opfer des Kolonialismus und diejenigen, die im Widerstand gegen das koloniale Unrecht aufstanden und machen die Spuren der kolonialen Vergangenheit Hamburgs sichtbar. Es ist uns eine große Ehre, heute den Nachfahren von Cornelius Fredericks im Hamburger Rathaus begrüßen zu dürfen. Ich danke auch dem Arbeitskreis Hamburg Postkolonial und den zahlreichen weiteren Akteuren aus der Zivilgesellschaft, die in den letzten Jahren nie nachgelassen haben, die Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit einzufordern.“
Dr. Kavemuii Murangi, Präsident und Mitbegründer des OvaHerero/Mbanderu and Nama Genocides Institute ONGI mit Sitz in den USA: „Eine Straße nach Louisa Kamana in Hamburg zu benennen, ist ein starkes Statement – nicht zuletzt angesichts der zentralen Rolle, die die Stadt und insbesondere Adolph Woermann bei der Ermöglichung und dem Nutzen des Völkermords gespielt haben.“
Ida Hoffmann, Vorsitzende des Nama Genocide Technical Committee in Windhoek und ehemaliges Mitglied der namibischen Nationalversammlung: „Ich bedanke mich für die Akzeptanz unseres Namensvorschlags Cornelius Fredericks. Viele Probleme sind noch ungelöst. Aber die Hamburger Ehrung des Nama-Kapteins, der im Völkermord an den OvaHerero und Nama ermordet wurde, ist ein erster Schritt in der Veränderung der kolonialen Erinnerungskultur im öffentlichen Raum Hamburgs.“
Millicent Adjei vom Arbeitskreis Hamburg Postkolonial: „Seit über 70 Jahren ist der Kolonialverbrecher Adolph Woermann mit zwei Straßennamen in Hamburg geehrt worden. Die Umbenennungen sind ein wichtiger Schritt zur Dekolonisierung unseres öffentlichen Raums. Die neuen Namen werden ein Opfer der Kolonialherrschaft und eine Persönlichkeit im antikolonialen Widerstand würdigen. Hierfür hat sich unser Bündnis in jahrelanger Arbeit eingesetzt.“