Nationalsozialismus/Antisemitismus

Seminar zur kritischen Erinnerungsarbeit der Enkel*innen-Generation deutscher Familien

„Was bleibt ist die Erinnerung“

Was haben eigentlich meine Großeltern während des Nationalsozialismus getan? Diese Frage stellen sich viele Enkel*innen der Zeitzeug*innen des Nationalsozialismus im Laufe der Jahre. Doch die Informationen, die sie erhalten, sind meist spärlich oder lückenhaft, kaum mehr als Fragmente einer Erzählung.
Dieses Seminar soll die Gelegenheit geben gemeinsam mit anderen die Erzählungen über den Nationalsozialismus in der eigenen Familie zu untersuchen, auf Widersprüche abzuklopfen, die eigenen Interessen darin sichtbar zu machen und ein kritisches Verhältnis zur eigenen Familienerzählung zu entwickeln. In einem zweiten Teil wollen wir mit Hilfe einer angeleiteten Archivrecherche Daten und Fakten über die eigenen Großeltern ermitteln und mögliche Lücken in den Erzählungen heraus arbeiten.
Dabei orientieren wir uns an der Methode „Erinnerungsarbeit“ von Frigga Haug (entwickelt in der 80er Jahren). Die Seminargruppe soll sich dabei im Sinne einer Forschungsgruppe gegenseitig unterstützen und einen Rahmen für die Auswertung der Untersuchung bieten.

Hintergrund des Seminars im Rahmen der Politischen Bildungsarbeit

Mit dem Sterben der Zeitzeugengeneration bleiben von dieser Epoche in den Familien nicht mehr als ein paar Fotos aus dem Familienalbum und eben jene Erzählfragmente über den Alltag des „Russlandfeldzuges“ oder das beschwerliche Leben in zerbombten Städten. Diese meist mehr oder weniger harmlosen Anekdoten kontrastieren dabei scharf mit dem offiziellen Gedenken an die Opfer des NS und dem historischen Wissen über den Faschismus.
In den allermeisten Familien bleibt der Eindruck, der Nationalsozialismus habe stets an einem andern Ort und mit unbekannten Akteuren stattgefunden, man habe nichts tun können und versucht anständig zu bleiben.
Dass dies angesichts der Massenbasis des Faschismus nur für einen kleinen Teil der Familienerzählungen zutreffen kann, mag Anlass sein, die eigene Familienerzählung kritisch zu hinterfragen. Im Vordergrund steht dabei das kritische Eingreifen in die eigene familiäre Geschichtsschreibung. Dafür ist zunächst eine Bearbeitung und Reflexion der Familienerzählung grundlegend (1. Seminarwochenende). Das Recherchieren in den Archiven baut im Folgenden darauf auf (2. Seminarwochenende).

Seminarablauf (3 Blöcke)

1. Seminarwochenende
Nach einem Auftakt am Freitagabend, sollen am ersten Wochenende vor allem die Mechanismen von Familienerzählungen beleuchtet werden. Neben theoretischen Inputs steht dabei das Bearbeiten von eigenen Erzählfragmenten im Vordergrund, die häufig aus nicht mehr als einer groben Orts- und Tätigkeitsbeschreibung bestehen; „der Opa war irgendwo in Russland. Ich glaube die mussten viel marschieren, war wohl ein einfacher Soldat, ob der an Verbrechen beteiligt war, weiß ich nicht… ich glaub aber eher nicht.“ Die Methode und Hintergründe der von Prof. Frigga Haug entwickelten und erprobten „Erinnerungsarbeit“ bieten dafür den grundlegenden Arbeitsansatz. Neben dem individuellen Verfassen von Geschichten, erfolgt die weitere kollektive Bearbeitung in der Seminargruppe. Neben den Erzählfragmenten selbst wird auch erörtert wie diese Erzählungen in den Familien weiter gegeben werden (Erzählsituation, Stimmung, welche sagen was, welche sagen nichts….).

2. Seminarwochenende
Am zweiten Wochenende steht die Recherche im Vordergrund. Nicht wenige Enkel*innen haben Dokumente und Unterlagen zusammen gesammelt, mit Verwandten gesprochen, und sich Aufzeichnungen gemacht. Doch im betriebsamen Alltag stellt die Auswahl des richtigen Archivs, oder auch das Formulieren einer Anfrage jene Hürde dar, die dazu führt, dass sich letztlich nur wenige auf den Weg machen, den Erzählungen auf den Grund zu gehen und sie mit historischen Fakten abzugleichen.
Im Seminar wird daher konkret der Frage nachgegangen, aus welchen Archiven welche Informationen zur Großelterngeneration gewonnen werden können, was aus den bereits bekannten Dokumenten geschlossen werden kann und welche Fachleute dabei hilfreich zur Seite stehen können.

3. Seminartag
An diesem Tag können die Teilnehmenden den bisherigen Verlauf der Recherche und die Auswirkungen eventueller Familiengespräche reflektieren.

Die Teilnahme an allen 3 Terminen ist verbindlich.

Kosten: nach Vereinbarung
Leistungen: Seminarleitung und Material
Leitung: Daniel K. Manwire (Jhg.1971) und Rainer Piatkowski (Jhg. 1970)
Termin: 3 Wochenenden im Verlauf von ca. 4 Monaten
Interesse? Anmeldung und Infos: bildungsbuero-hamburg@zeromail.org

Bisherige Seminare „Was bleibt ist die Erinnerung“: